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Stephan Linck erzählt von Heinrich Zacharias-Langhans

Stephan Linck erzählt von Heinrich Zacharias-Langhans
Stephan Linck erzählt von Heinrich Zacharias-Langhans
05:22
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Heinrich Zacharias-Langhans

Die Jahre 1933-1945
Gemeindeleben
Gemeindeleben
Veränderung seines Lebens
Veränderung seines Lebens

Seit 1925 war Heinrich Zacharias-Langhans als Hilfsprediger in der St.Lukas Kirche in Hamburg Fuhlsbüttel eingestellt. Am 3. April 1927 wurde er schließlich offiziell als Pastor in der St. Lukas Kirche eingeführt. Durch die Leitung von Pastor Zach wurde 1929 einen neue Liturgie für den Gottesdienst entwickelt. Einige Gottesdienste wurden zum Beispiel musikalisch gestaltet. Liturgie ist der offizielle Gottesdienst der Kirche, zu dem ein von der Kirche berufene/er Leiter/in gehört. „Die Liturgie ist davon geprägt, dass wir das heilende Wirken Jesu in unserer Mitte feiern und dass wir uns mit ihm Gott Vater im Heiligen Geist zuwenden.“1

 

Die Teilnehmerzahl der Besucher bei den Gottesdiensten war erstaunlich hoch. Auch die Kindergottesdienste waren mit bis zu 100 Kindern gut besucht. Aufgrund der wachsenden Anzahl der Gemeindemitglieder wurde deshalb 1929 mit dem Bau einer zweiten Kirche in der Gemeinde Fuhlsbüttel-Langenhorn begonnen. Ein Jahr später war die Ansgarkirche in Langenhorn fertig.2

In den Jahren 1931/32 waren alle Bemühungen

des Pfarreramtes darauf gerichtet, das

Gemeindeleben zu vertiefen. Sie wollten die

Gemeinde an Christus verweisen, an „ihren

lebendigen Herrn.“3

 

Im Jahr 1933 feierte die Gemeinde das

40-jährige Bestehen. Zunächst wurde in der

evangelischen Kirche 1933 die Machtübernahme

der Nationalsozialisten eher positiv beurteilt. Die

Forderung einer „nationalen Wiedergeburt“ fand

auch in der evangelischen Gemeinde aufgrund

des verlorenen Krieges 1918 und der

Auswirkungen des Versailler Vertrages ein Echo.

Die „Glaubensbewegung Deutsche Christen“

wurde aber schon 1932 als neue Kirchenpartei gegründet. Sie wollten eine deutsche Reichskirche mit einem Reichsbischof an der Spitze. Das Christentum und die nationalsozialistische Weltanschauung sollten sich miteinander verbinden. Auch in Fuhlsbüttel bildete sich eine Ortsgruppe der „Deutschen Christen“. Im Juli 1933 erhielten zwei Predigten von Pastor Zach den Titel „Das Wort Gottes zwischen den Fronten“, die ein Zeugnis für die herrschende Unruhe der Gemeinde darlegen. Im Vorwort heißt es: „Diese beiden Predigten wurden gehalten inmitten der schweren kirchlichen Unruhe dieses Monats, da die Kirche zu neuer Gestalt hindrängt und jedes Glied der Kirche mit hereingezogen ist in den Strudel persönlicher Entscheidungen.“4

 

Außerdem weist der Titel darauf hin, dass sich in dieser Zeit bereits eine Opposition gegen die Deutsche Christen zusammenfindet. Da die Deutschen Christen nicht den Erfolg hatten, den sich die Nationalsozialisten versprachen, versuchte der NS-Staat das Ziel zu verwirklichen. 1934 hatte man die evangelischen Jugendverbände in die Hitlerjugend eingegliedert. Dies betraf auch die Fuhlsbüttler Gruppen.5

 

Dazu kam noch die in den letzten Jahren (bis 1933) wachsende beunruhigend hohe Zahl der Kirchenaustritte. Die Kirche war trotzdem nicht nur am Heiligabend, sondern auch an festlichen Sonntagen überfüllt.6

1933 war Pastor Zach außerdem Mitunterzeichner einer Rücktrittsaufforderung an den Senior der Hamburgischen Landeskirche. Initiiert war diese von Pastoren der Deutschen Christen (DC) und der jungreformatorischen Bewegung, die mehrheitlich später die Bekennende Kirche (BK) gründeten. Pastor Zach war ein anfangs begeisterter

Anhänger der jungreformatorischen Bewegung.

Entsprechend empfand er die Erneuerung der Kirche

als eine tolle Sache. Die Mehrheit der evangelischen

Kirche war nicht von der Republik bzw. der

Demokratie überzeugt. Die evangelische Kirche war

gegen Kommunisten und Atheisten bzw.

Nichtchristen. Sie hofften, dass der

Nationalsozialismus etwas an der „Unordentlichkeit“

ändern würde. Die Kommunisten, die Republik und

die Sozialdemokraten sollten „verschwinden“. Ein

„echter solider“ lutherischer Christ braucht eine

Obrigkeit. Aus diesem Grund wurde der

Nationalsozialismus von der evangelischen Kirche mit

großer Naivität „gelobt“. Pastors Zachs Meinung

gegenüber dem Nationalsozialismus änderte sich

aber im Laufe der Zeit. Auch er war erst begeistert

vom Nationalsozialismus, doch im Laufe der Zeit

mindert sich seine Begeisterung, aufgrund seiner

eigenen Erlebnisse, bzw. der eigenen

Ausgrenzungserfahrung. 7

Ab dem Jahre 1935 entwickelte der Architekt Bernhard Hopp erste Ideen bezüglich eines Um- bzw. Neubaus der Kirchengebäude in St.Lukas. Zum 70-jährigen Jubiläum schilderte Pastor Zach: „Doch auch ihm glückte es zuerst trotz mancher Entwürfe noch nicht. Am Ende der Entwürfe aber kam dann plötzlich der große Wurf. Es war in einer einzigen Minute, und ich war dabei. Wir saßen in seinem Büro. ..., und unsere neue Kirche stand fertig auf dem Papier. Werk weniger Minuten. Und genauso ist sie dann auch gebaut wurden, bis hin zum Flügelaltar. Nichts musste geändert werden, wie denn diese aus einer schöpferischen Minute geborene Konzeption ein ganz großer Wurf war und bis heute geblieben ist.“ 8

 

Im Oktober im Jahre 1937 begann der Umbau in St.Lukas. Am vierten Advent 1938 konnte die Kirche nach dem Umbau fertig gestellt werden.

Abb. 3: Die berühmte Skizze von Bernhard Hopp, Kirchenvorstand der St.Lukas- Gemeinde: 100 Jahre St.Lukas-Kirche Fuhlsbüttel, Hamburg 1993, S. 6.

Abb. 4 Die neue St.Lukas Kirche 1938, aus: https://www.sanktlukas-fuhlsbuettel.de/home/aus-dem-gemeindeleben/, Stand: 27.01.2017

1 http://www.dsp.at/glaubeundleben/was-ist-liturgie, Stand: 26.01.17

Kirchenvorstand der St.Lukas- Gemeinde: 100 Jahre St.Lukas-Kirche Fuhlsbüttel, Hamburg 1993, S.20.

3 S.o., S.21.

Zacharias-Langhans, Heinrich: Das Wort Gottes zwischen den Fronten. Zwei Predigten zur Lage der Kirche gehalten am 9. und 16. Juli 1933, Hamburg 1933, S. 1.

5 Kirchenvorstand der St.Lukas- Gemeinde: 100 Jahre St.Lukas-Kirche Fuhlsbüttel, Hamburg 1993, S.22-23.

6 S.o., S.26

7 Interview mit Stephan Linck am 19.01.17, Minute 12:00-14:00

Kirchenvorstand der St.Lukas- Gemeinde: 100 Jahre St.Lukas-Kirche Fuhlsbüttel, Hamburg 1993, S.6.

Interview mit Stephan Link, Teil 1, Minute 12:00-15:00

10 Gedächtnisprotokoll eines Gesprächs mit Jürgen Stäcker, geführt am 08.12.2016.

11 Leible, Heinrich / Schäfer, Alfred: Heinrich Zacharias-Langhans. Hoffen auf den kommenden Christus. 20 Predigten, Hamburg 1983, S. 15.

12 S.o., S. 45.

13 Interview mit Stephan Link, Teil 1, Minute 18:15-20:00

14 32.03.01 (Landeskirche Hamburg - Personalakten der Pastoren) Nr. 908, Blatt 74, S. 37, Z. 28-32.

15 32.03.01 (Landeskirche Hamburg - Personalakten der Pastoren) Nr. 908, Blatt 74, S.31-32, S.35-48.

16 Interview mit Stephan Link, Teil 1, Minute 4:45-7:00

Wie bereits beschrieben hat Heinrich Zacharias-Langhans 1933 wie viele andere Mitglieder der evangelischen Kirche den Nationalsozialismus zunächst begrüßt. Dies lag an den Erfahrungen aus der Weimarer Zeit. Man war gegen Sozialdemokratie, gegen alles Nichtchristliche. Das Neue – der Nationalsozialismus – wurde also als positive Veränderung aufgefasst. Doch aufgrund der Erfahrungen, die er in den folgenden Jahren machte, hat sich seine Einstellung verändert.9

So kam es während des Nationalsozialismus zu einigen Veränderungen im Leben von Heinrich Zacharias-Langhans. Er musste zum Beispiel vorsichtiger mit Äußerungen in seinen Predigten sein, die als Kritik am Nationalsozialismus gesehen werden konnten. Es konnte immer sein, dass ein Spitzel der Nationalsozialisten – z.B. aus der Gestapo - mit im Gottesdienst gesessen hat. Diese und auch Gemeindemitglieder hätten ihn verpfeifen können, weshalb Pastor Zach jede Predigt aufschrieb, um im Ernstfall beweisen zu können, was er tatsächlich gesagt hatte. Pastor Jürgen Stäcker erzählte uns, dass Zacharias-Langhans im Gottesdienst öfter Folgendes sagte: „Und für die Herren, die mitschreiben, sage ich ganz deutlich…“.10

 

Aber Pastor Zach ließ sich dadurch keineswegs den Mund verbieten. Er formulierte seine Aussagen häufig doppeldeutig, zum Beispiel wenn er sagte, dass Gott beide Seiten – Deutsche Christen und Bekennende Kirche – gleichermaßen annimmt.11

 

Auch machte er sich Sorgen um das Volk, um seine Gemeinde in Zeiten des Krieges. Er sagte nach dem Aufruf zum Volkssturm 1944: „Haben wir nicht gebetet um das Ende des Krieges, um Frieden, um das Leben, immer wieder, immerzu?“12

So übte er Kritik am Nationalsozialismus, welche aber nicht direkt bemerkt wurde. Es gab auch das Gerücht, dass Pastor Zach mit einer Konfirmandengruppe heimlich im Kirchturm Feindradio gehört habe. Dieses Gerücht konnte Pastor Stäcker uns leider nicht bestätigen bzw. es war ihm nicht bekannt, dass Pastor Zach so etwas getan hatte. Im Interview mit Stephan Linck erzählte dieser uns aber, dass er aus einem Gespräch mit einem ehemaligen Konfirmanden Pastor Zachs erfahren hatte, dass er im Kirchturm BBC gehört habe. Die Aussage machte auf Stephan Linck einen glaubwürdigen Eindruck und klang nicht wie eine erfundene Geschichte. Wie oft und zu welchem Zeitpunkt dies geschehen sein soll, bleibt aber unklar. In jedem Fall aber war es für Pastor Zach durchaus eine gefährliche Angelegenheit.13

Pastor Zacharias-Langhans hatte aber noch weitere Probleme. Er hat zum Beispiel im Jahr 1940 kein ermäßigtes Schulgeld für seine drei Söhne vom Staat bekommen, wie es für Pastoren eigentlich üblich gewesen wäre. Pastor Zach sollte den doppelten Betrag von RM 720 entrichten. Er wandte sich an den Landesbischof Tügel, welcher sich in einem langen Brief an den Oberschulrat Dr. Oberdöffer sehr für ihn einsetzte. Er berichtete von dem starken Einsatz seines Vaters und seiner Brüder beim Militär, wie gut sie für ihr Land gedient hätten, welche Auszeichnungen sie erhalten haben, und Pastor Zachs Einsatz in der Kirche. Tügel argumentierte, dass die Kinder mit dieser Entehrung nicht mit wirklicher innerer Treue zum Staat erzogen werden könnten.14

 

Die Bitte Tügels wurde aber abgelehnt, weil Pastor Zachs Kinder laut den Nürnberger Gesetzen als Mischlinge zweiten Grades galten, weshalb sie kein Recht auf Schulgeldermäßigung hätten, was laut den hamburgischen Bestimmungen der Schulgeldordnung vom 29. April 1938 nur Kinder deutschen oder artverwandten Blutes erhielten. Jedoch hat Landesbischof Tügel ihm dann die Ermäßigung für die nächsten Jahre aus seinem privaten Vermögen zukommen lassen, wofür sich Pastor Zach im abgebildeten Schreiben bedankt und um weitere Unterstützung bittet.15

 

Es hieß außerdem, Pastor Zach habe nach den

Bombenangriffen auf Hamburg im Jahr 1944

einen Juden versteckt. Das stimmt aber nicht

direkt. Stephan Linck hat uns erzählt, dass er in

einem Archiv diese Geschichte gefunden hat,

der „Jude“ aber ein evangelischer Pastor

jüdischer Herkunft einer anderen Gemeinde

war. Von versteckt kann man also nicht reden,

da dieser offiziell gemeldet war. Dennoch zeugt

dieses Verhalten natürlich von Nächstenliebe

und Hilfsbereitschaft.16

Die gesamte Schulgeld-Korrespondenz gibt es hier

Abb.5: Brief Heinrich Zacharias-Langhans an Landesbischof Tügel vom 29.04.1942, aus: 32.03.01 (Landeskirche Hamburg - Personalakten der Pastoren) Nr. 908, Blatt 74, S. 47.

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