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Fazit

Inwiefern wurde der Werdegang der Pastoren Heinrich Zacharias-Langhans und Friedrich Lensch durch ihr Handeln im Zweiten Weltkrieg beeinflusst ?

Das war unsere Ausgangsfrage, mit der wir uns im Laufe der Arbeit auf unterschiedliche Weise auseinandergesetzt haben. Mit unseren Texten haben wir beabsichtigt, diese Frage zu beantworten. Friedrich Lenschs Werdegang wurde ziemlich stark beeinflusst durch seine Taten während der Zeit des Nationalsozialismus. Es wurden mehrmals Verfahren gegen ihn angestrebt und er hatte nach dem Zweiten Weltkrieg keine ungestörte Amtszeit als Pastor oder Leiter der Alsterdorfer Anstalten. Vielmehr musste er sich zuerst mit den Alsterdorfer Anstalten auseinandersetzen, die ihn dann in den Ruhestand versetzt haben und später auch eine Klage gegen ihn einreichten. Obwohl ihn viele in der Christuskirche in Othmarschen als sehr sympathischen Pastor erlebt haben und er dort immer willkommen war, hat er bis zu seinem Tod mit den Auswirkungen seiner Verbrechen im Nationalsozialismus zu tun gehabt.

Für Zacharias-Langhans wirkte sich die Zeit des Nationalsozialismus hauptsächlich persönlich aus. Psychisch belastete ihn die Zeit, wie wir annehmen, denn nach dem Verlust seiner beiden Söhne im Zweiten Weltkrieg war er verständlicherweise sehr traurig. Seine Trauer und die vieler Anderer floss in die Idee zur Errichtung einer Gedächtniskapelle für die Opfer des Krieges.

Er hatte das Bedürfnis, Menschen zu helfen, nicht nur im Dritten Reich, sondern auch danach, um auch seinen persönlichen Frieden zu finden.

 

Wenn man nun beide Pastoren, Pastor Friedrich Lensch und Pastor Heinrich Zacharias-Langhans, miteinander vergleicht, fällt auf, dass man nicht pauschal von gut oder böse und von schwarz oder weiß sprechen kann. Jedoch kann man sagen, dass Friedrich Lensch ganz klar ein NS-Verbrecher war aufgrund der Beteiligung an der Euthanasie und der starken Sympathie gegenüber dem Nationalsozialismus. Er hat ohne Zweifel Menschenleben zerstört, jedoch gab es auch Anzeichen, dass er teilweise sogar gegen die Euthanasie war und sehr an den Methoden gezweifelt hat, was man aber leider nicht aus einer verlässlichen Quelle entnehmen kann.

 

Bevor wir Friedrich Lensch näher kennengelernt haben, dachten wir, er wäre ein bösartiger Mensch, den es nicht stört, wenn er Menschenleben nimmt und zerstört, so haben wir ihn uns vorgestellt, jedoch nach näherem Recherchieren merkten wir, dass man ihn eben nicht nur von der negativen Seite betrachten kann. Friedrich Lensch war eben in der Christuskirche in Othmarschen sehr beliebt. Jeder fand ihn sympathisch. Die Konfirmanden mochten ihn sehr gerne, weil er immer für sie da war und auch die Besucherzahlen von seinen Gottesdiensten stiegen immer weiter an.

 

Zacharias-Langhans war der Pastor, den wir Friedrich Lensch gegenüberstellen wollten als Retter und Helfer im Nationalsozialismus. Wir hatten zuvor von der Geschichte gehört, dass er einen Juden bei sich versteckt hat. Dies erschien uns also  als passenden Gegensatz zu Friedrich Lensch, dem bösen Verbrecher. Im Gespräch mit Holger Tilicki, einem Mitglied der Willi-Bredel-Gesellschaft, der viel über Pastor Zach geschrieben hat, fiel auf, dass dieser sich gar nicht sicher war, inwiefern Pastor Zach ein Helfer und Widersacher der NS-Zeit war. In seinen Predigten ist uns aufgefallen, dass er Andeutungen gemacht hat, dass er das „Dritte Reich“ nicht unterstützt hat, sondern eher versucht hat, Kritik zu äußern, aber wie sollte er auch seine freie Meinung äußern, wenn er immer bespitzelt wurde und zu diesem Zweck seine Predigten stets aufschrieb? Im Nationalsozialismus war es sehr schwer, seine eigene Meinung zu äußern, wenn sie kritisch gegenüber dem Staat war und wenn man aber gleichzeitig am Leben bleiben wollte, deswegen haben wir zwar gemerkt, dass Pastor Zach eindeutig kein Befürworter des Nationalsozialismus war, jedoch auch nicht wie ein Widerstandskämpfer z.B. der „Weißen Rose“ alles offen gesagt hat. Wir haben Argumente für beide Seiten gefunden, auf der einen Seite für seine Unterordnung innerhalb des Nationalsozialismus, auf der anderen Seite aber auch für seine kritische Meinung gegenüber diesem.

Diese Erkenntnisse haben uns zuerst verwundert. Wir waren doch alle absolut sicher, dass ein NS-Verbrecher immer von Grund auf böse sei und nichts Gutes an sich haben könnte, was jedoch am Beispiel von Friedrich Lensch eindeutig widerlegt wird.  Natürlich hat er positive Charakterzüge, doch die Verbrechen überwiegen hier und er hat Fehler gemacht, die sehr scheußlich sind, aber darf man ihn deshalb mit allen NS-Verbrechern in eine Schublade stecken?

 

Wie Zacharias-Langhans mit der nationalsozialistischen Zeit umgegangen ist, ist schwierig zu sagen. Er hat wenig über die Zeit gesprochen, wobei wenig Menschen, die im Nationalsozialismus gelebt haben, auch wirklich darüber geredet haben. Pastor Zach hat jedoch Zeitungsartikel aufbewahrt, was zeigt, dass er sich mit der Zeit beschäftigt hat. Worauf man jedoch achten muss ist, dass Pastor Zach Vierteljude war und seine Frau sogar Halbjüdin. Das bedeutet, dass nach der Zeit der Wannsee-Konferenz vor allem, aber auch danach,  beide in Angst lebten.

Pastor Friedrich Lensch ist mit der Zeit anders umgegangen, denn offiziell wollte er sogar eine Bescheinigung, dass er sich in der Zeit des Nationalsozialismus positiv verhalten hätte.

Er hat nicht nur geleugnet, sondern zudem noch darauf beharrt, dass er sich nichts hat zu Schulden kommen lassen.

 

Man merkt noch heute, wie schwierig es ist, in manchen Ländern seine Meinung frei zu äußern, denn viele Länder haben die  Meinungsfreiheit noch nicht in den Grundgesetzen verankert. In genau diesen Ländern wird versucht, kleine „Schlupflöcher“ zu finden, um doch Kritik am Staat zu üben, damit der Staat es aber nicht merkt. Viele Menschen in diesen Ländern machen genau das, was Pastor Zach auch getan hat, denn durch kleinste Veränderungen in einem Artikel wird Kritik und Empörung gegen den Staat geäußert. Hierfür ist die Politik in der Türkei ein gutes Beispiel. Denn in der Türkei ist die Meinungs- und Pressefreiheit stark eingeschränt. Deswegen versuchen viele Reporter ihre Meinung im doppeldeutigen Sinne zu verbreiten. Wie Pastor Zach sind sie in ihrer Freiheit stark eingeschränlkt.

Wir sind auch der Meinung, dass es im Nationalsozialismus sehr leicht war, in den Strudel der NSDAP zu gelangen und dass auch heute durch die modernen Medien viel Hass verbreitet wird. Die aggressive und manipulierende Propaganda der NSDAP könnte heute noch viel schneller verbreitet werden. Heutzutage ist es leicht, von menschenfeindlichen Organisationen eingewickelt zu werden. Natürlich ist dies keineswegs eine Entschuldigung für die Taten von Friedrich Lensch und all den anderen NS-Verbrechern, jedoch ist es ein Ansatz, die Menschen zu verstehen und zu versuchen, ein bisschen Klarheit in ein dunkles Kapitel unserer Geschichte zu bringen.

 

Wenn man dieses Geschehen global betrachtet, fällt einem auf, dass diese Situationen im Alltag mancher Menschen immer noch ein Bestandteil sind. In Europa sind rechtspopulistische Parteien auf dem Vormarsch, die Menschen diskriminieren, aufgrund ihrer Religion oder Herkunft. In den USA verdeutlicht der neue Präsident Donald Trump die diskriminierende Wirkung seiner Handlungen, indem er versuchte, ein Einreiseverbot für bestimmte, vor allem muslimisch geprägte Länder zu verhängen.

Gerade der Nationalsozialismus und seine Anhänger diskriminierte Menschen aufgrund von Herkunft, Religion oder körperlicher Beeinträchtigung und differenzierte nicht zwischen Menschen, wie auch Donald Trump es nicht tut, wenn er allen Muslimen die Einreise in die USA verbieten will. Aber auch in Deutschland gibt es ähnliche Tendenzen. Nicht nur die AFD, sondern auch Pegida haben starken Zuwachs bekommen. Mehr Menschen schließen sich deren Meinung an. Dies erfordert immer wieder eine Auseinandersetzung mit der eigenen deutschen Geschichte, damit den Menschen die Augen geöffnet werden, dass es nicht richtig ist, Menschen aufgrund ihrer Religion und Herkunft auszugrenzen. Alle Menschen, auch die vielen Flüchtlinge, verdienen, wie jeder andere ein „Willkommen“ und sie sollten keine Angst haben, sich in ihrer neuen Heimat nicht sicher zu fühlen.

Die Kirche sollte diese Ansicht auch vertreten, denn gerade die Kirche sollte sich für die Schwachen stark machen. In der NS-Zeit waren sie diejenigen, die dieser Aufgabe nicht nachgekommen sind. Nach der Zeit des Nationalsozialismus dauerte es lange, bis die Kirche anfing zu erkennen, dass ihr Handeln nicht richtig war und daher muss sie sich immer noch mit ihrem Handeln auseinandersetzen, da die Aufarbeitung noch nicht abgeschlossen ist. Vielleicht kann unsere Arbeiten einen ganz kleinen Teil dazu beitragen.

 

Neben der Frage, welche Auswirkungen unsere Untersuchung auf die heutige Zeit hat, sind am Ende unserer Arbeit noch einige Fragen offen, welche wir gerne beantwortet hätten, es uns aber leider nicht möglich war aufgrund fehlender Informationen. Vielleicht wurden manche Dinge auch einfach damals nicht aufgeschrieben, da es zu gefährlich war, wenn diese in die falschen Hände gelangten. Zum einen wäre das, ob es wirklich stimmt, dass Zacharias-Langhans Kritik am Nationalsozialismus übte, ob und wann genau er Feindradio hörte? Wenn er Kritik äußern wollte, hat er es vielleicht auf andere Weise getan? Bei Friedrich Lensch haben wir uns auch gefragt, ob er in irgendeiner Weise Reue gezeigt hat, vielleicht auch im privaten Kreis. Und eine wichtige Frage wäre auch, ob er wirklich so überzeugt vom Nationalsozialismus war? War es sein tiefster eigener Wille, diese jüdischen Pfleglinge wegzuschicken?

Nach dem Gespräch mit Stephan Linck ist uns aufgefallen, dass es auch sehr interessant wäre, zu erfahren, was die heutigen Mitglieder der Christuskirche in Othmarschen von ihrem ehemaligen Pastor Friedrich Lensch denken. Er war dort immer bekannt als ein liebevoller, zugewandter Pastor. Hierzu könnte man – in einem möglichen Nachfolgeprojekt – zum Beispiel eine entsprechende Umfrage  innerhalb der Gemeinde machen. Leider kam uns der Gedanke erst zum Ende unserer Arbeit, so dass sich dies nicht mehr umsetzen ließ.

Und als letzten Punkt würde es uns natürlich interessieren, wie sie ganz persönlich die Zeit im Nationalsozialismus erlebt haben. Wie ist es ihnen ergangen? Was waren ihre Ängste oder welche Hoffnungen hatten sie?

Diese Fragen können leider nicht beantwortet werden, da uns Tagebucheinträge oder direkte enge Vertraute der beiden leider nicht zur Verfügung standen. Trotzdem hat uns die Auseinandersetzung mit diesen beiden Pastoren die NS-Zeit näher gebracht und uns verstehen lassen, dass niemand in eine Schublade gesteckt werden darf.

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